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Leistung und Gesundheit in der Ferkelaufzucht - alles eine Frage der Fütterung?

Dr. Heinrich Kleine Klausing


Leistung und Gesundheit sind in der erfolgreichen Schweineproduktion zwei gemeinsam zu betrachtende Parameter. Die Schweine befinden sich in einem "magischen Zirkel" zwischen Herkunft, Stallklima/Haltungstechnik, Gesundheitsstatus und Fütterung. Diese einzelnen Größen nehmen Einfluss auf die tatsächliche Gesundheitslage und die tatsächlich erzielbare Leistung. Die Kenntnis der wichtigen Erfolgsfaktoren in diesen Bereichen ist grundlegende Voraussetzung, hohen Gesundheitsstatus und betriebswirtschaftlich notwendige Leistungen zu erreichen und langfristig zu sichern.

Im Rahmen dieses Fachbeitrages sollen speziell die Erfolgsfaktoren der Fütterung als praxisnahe Managementtipps für den Bereich der Ferkelaufzucht dargestellt werden. Denn in der Ferkelaufzucht werden bereits die ersten Weichen für die Leistung in der Mast gestellt. Daher ist das Wissen um das "Was und Wie" der Aufzucht auch für den Mäster von großer Bedeutung.

Tipp 1: Sorgen Sie für gutes Stallklima!

Ferkel, die einen hohen Gesundheitsstatus, gute Tageszunahmen und günstige Futterverwertung aufweisen sollen, brauchen auch eine entsprechend "gute Kinderstube". An die Stallklimatisierung sind daher für die Ferkelaufzucht entsprechende Anforderungen zu stellen:

  • mind. 28 °C Umgebungstemperatur nach Absetzen
  • "Heizen und Lüften" - genügend Frischluft! (NH3 max. 10 ppm)
  • keine Zugluft! (max. 0,15 m/sec. im Ferkelbereich)

Tipp 2 : Sorgen Sie für eine gute, gleichmäßige Futteraufnahme nach dem Absetzen !

Die ersten zwei Wochen nach dem Absetzen sind für Gesundheit und Leistung in der gesamten Ferkelaufzucht bis in die Mast hinein von entscheidender Bedeutung. Mangelhafte Futteraufnahme nach dem Absetzen bzw. deutliche Schwankungen von Tag zu Tag sind häufig Wegbereiter für "Verdauungsprobleme" - soll heißen: Durchfall - und in deren Folge Minderleistungen. Das Prinzip "Ferkel, die gut fressen, wachsen auch gut!" ist aber im Betrieb nur erfolgreich umzusetzen, wenn zwei entscheidende Parameter - nicht nur in den ersten zwei Wochen nach dem Absetzen - stimmen: Futter und Wasser!

Tipp 3: Wasser, Wasser, Wasser ..... der wichtigste Nährstoff!

"Nur Ferkel, die gut saufen, fressen auch gut!" - die Richtigkeit dieser Aussage kann jeder Praktiker bestätigen. Die Sauenmilch stellt für das Saugferkel eine in sich abgerundete Nahrungsquelle dar. Mit dem Absetzen der Ferkel von der Sau tritt für die Ferkel eine der bedeutendsten Veränderungen/Umstellungen in der "Fütterung" ein. Neben tiergerechter Stallklimatisierung und einem noch näher zu betrachtenden verdauungsgerechten Futter ist eine ausreichende Wasserversorgung extrem wichtig für Futteraufnahme und Gesunderhaltung. Fehlt den Ferkeln das Wasser, nehmen sie zu wenig Futter auf oder - und das ist fast noch schlimmer - das aufgenommene Futter "verklumpt" im Magen, wird nicht ausreichend durchsäuert und kann nicht optimal verdaut werden. Durchfall ist die zwangsläufige Konsequenz. Damit dies so nicht auftritt und die Ferkel gut saufen und gut fressen, müssen nachfolgende Parameter eingehalten und regelmäßig überprüft werden:

  • max. 10 Ferkel je Tränkestelle
  • mind. 500 bis 800 ml/min. Wasserdurchfluss an der Nippeltränke - aber Achtung: nicht "viel hilft viel" - die Ferkel wollen "saufen, nicht duschen"!
  • Wassertemperatur möglichst nicht deutlich unter 10 °C
  • hygienisch einwandfreies Wasser - "saubere Brunnen, saubere Leitungen"

Tipp 4: Futter, Futter, Futter ..... mehr als Getreide und Soja!

Eine die Gesundheit und Leistung der Ferkel optimal unterstützende Fütterung kann nur heißen: Phasenfütterung !

Und "Phasenfütterung" bedeutet: leistungs- und gewichtsgerechte Futterzusammensetzung. Nährstoffe, Komponenten und Wirkstoffe müssen in einem der Entwicklungsstufe der Ferkel angepassten Verhältnis zueinander stehen. Mit einer einzigen Futtermischung vom Absetzen bis zum Ende der Aufzucht ist diese wichtige Forderung nicht zu erfüllen. Hier geht kein Weg an mehreren gezielt zu gestaltenden Phasen mit einem spezialisierten Prestarter, einem Aufzuchtstarter bzw. einer entsprechenden Startermischung und einem sich anschließenden Aufzuchtfutter bzw. einer entsprechenden Aufzuchtmischung vorbei. Nähere Details dazu finden sich in der unter Tipp 5 stehenden Tabelle. So gehört u.a. sowohl in den Aufzuchtstarter für die ersten 2 bis 3 Wochen nach Absetzen als auch in das Aufzuchtfutter aufgeschlossenes Getreide hinein. Damit wird bei begrenzter Amylaseproduktion die Stärkeverdauung gezielt unterstützt und eine zu hohe Anflutung unverdauter Stärke im hinteren Dünndarmdrittel verhindert. Dies ist eine wirkungsvolle Durchfallvorbeuge.

Durch die Verwendung organischer und anorganischer Säuren im Ferkelfutter wird der Hygienestatus im Futter selbst auf einem hohen Niveau gehalten und der pH-Wert in Magen und vorderem Dünndarm positiv beeinflusst. Denn schwankende pH-Werte im Dünndarm sind oft Wegbereiter für die Vermehrung von z.B. durchfallprovozierenden Colibakterien.

Probiotika gehören heute in ein die Darmgesundheit gezielt unterstützendes Ferkelfutter standardmäßig hinein. Sie übernehmen im Darm eine "Platzhalterfunktion" gegenüber potentiellen Schadkeimen wie den schon genannten Colibakterien und regen die Bildung sowie Ausschüttung körpereigener Enzyme an. Damit wird eine verbesserte Nährstoffverdauung, ein daraus resultierender Leistungseffekt und eine Reduzierung der "Nahrung für potentielle Schadkeime" im hinteren Dünndarm/vorderen Dickdarm erreicht.

Neben den "Probiotika" gehören heute auch die sogenannten "Prebiotika" zu wirkungsvollen Bioregulatoren, die in der Ferkelfütterung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei den Prebiotika handelt es sich um Oligosaccharide (Mehrfachzucker), die z.B. aus den Zellwänden von Saccharomyces cerevisiae (Bierhefe) gewonnen werden. Sie können auf der einen Seite bei verschiedenen potentiellen Schadkeimen im Darm (z.B. E. coli) die Rezeptorstellen blockieren, so dass sich die Keime nicht mehr an die Darmwand anheften und ihre Toxine an die Darmzellen abgeben können. Zum anderen stehen sie den Milchsäure- und Bifidobakterien im Dickdarm als "Nahrungsquelle" zur Verfügung und unterstützen so die Bildung kurzkettiger Säuren wie Propion-, Essig- und Milchsäure, was wiederum die Lebensbedingungen für Schadkeime verschlechtert.

Tipp 5: Phasenfütterung - so muss sie aussehen!

Fazit .......... alle Aufgaben damit erledigt?? Oder fordern besondere Situationen besondere Maßnahmen?

Kennen Sie das auch? Blasse Haut, rauhes Haarkleid, unspezifische breiige Durchfälle bei einzelnen Ferkeln, Abmagern und Kümmern? Das alles sind nach vielfältigen Praxiserfahrungen landauf und landab Symptome, die heute häufig den Verdacht auf eine Infektion mit Circoviren (Porcines Circovirus Typ 2 (PCV 2)) hervorrufen können.

Bilder aus Ferkelaufzuchtbeständen

Auseinanderwachsen und Kümmern der Ferkeldeutliches Kümmern, eingefallene Flanken
deutlich zurückgebliebenes Ferkel, Flanken eingefallenOhrrandnekrosen - sie werden unter Circovirusinfektion häufiger beobachtet.
Breiiger Durchfall mit unverdauten Futterbestandteilen.Hier kann aufgrund der Kotfarbe auch E. coli mit beteiligt sein.

Aber handelt es sich wirklich in jedem Fall um eine Infektion mit Circoviren? Und wenn ja, was kann man als Ferkelerzeuger bzw. Ferkelaufzüchter oder Schweinemäster dann machen? Reicht alles das, was vorstehend ausgeführt wurde oder gibt es noch weitere Möglichkeiten in der Fütterung, das Ferkel bzw. auch Vormastschwein gezielt zu unterstützen? Denn eines ist nach den Erfahrungen mit Circoviren in vielen Ländern und auch in verschiedenen Regionen Deutschlands bekannt: diese Infektionskrankheit verursacht über verminderte Tageszunahmen, verschlechterte Futterverwertung und erhöhte Mortalität erhebliche wirtschaftliche Schäden - und da machen sich "Investitionen" in die richtigen Maßnahmen sehr schnell bezahlt. Ob im Einzelfall eine Infektion mit Circoviren vorliegt, kann und soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Hierzu ist jeder Landwirt gut beraten, mit seinem bestandsbetreuenden Tierarzt in die Einzelanalyse zu gehen.

Kennzeichnend für diese Infektionskrankheit ist die Störung der körpereigenen Abwehrkräfte bei Ferkeln und Mastschweinen, in deren Folge sich bei infizierten Tieren Atemwegserkrankungen, Durchfall und auch Gelbsucht zeigen können. Da von der Erkrankung vor allem Aufzuchtferkel betroffen sind und verschiedene Organe im Körper in Mitleidenschaft gezogen werden, wird die Krankheit auch als PMWS (Post Weaning Multi Systemic Wasting Syndrom - "Kümmern nach dem Absetzen durch Erkrankung verschiedener Organsysteme") bezeichnet. Bei Absetzferkeln fallen außerdem vergrößerte Leistenlymphknoten auf. Das ist auch ein wichtiger Hinweis auf die Schwächung der körpereigenen Abwehrkraft. Das Virus selbst löst wohl keine direkten Krankheitssymptome aus, ist aber "Wegbereiter" für sekundärinfektiöse Erreger wie

  • PRRS-Virus
  • Actinobacillus pleuropneumoniae (Erreger der APP - einer Atemwegserkrankung)
  • Hämophilus parasuis (Erreger der Glässerschen Krankheit)
  • Streptokokken
Bei Schweinen mit einer Circovirusinfektion stellt man neben diesen Erkrankungen oftmals Hautveränderungen insbesondere an Unterbauch, Ohren und Schinken (Blutungen in der Unterhaut), Leberveränderungen, Nierenveränderungen und Fieber fest. Eine häufig zu beobachtende Blässe der Schweine ist nach bisherigen Erkenntnissen auf mögliche Leberschäden und eine mangelnde Funktionsfähigkeit der Bauchspeicheldrüse zurückzuführen.

Was kann man als Landwirt im Betriebsmanagement machen?

Gegen das immunitätsschwächende Circovirus gibt es noch keine direkte Hilfe. Man kann die Probleme mit den Sekundärerregern - und die verursachen die bedeutenden wirtschaftlichen Schäden - aber durch verschiedene Managementmaßnahmen mildern und die Schweine über ein spezielles Fütterungskonzept gezielt stoffwechselseitig unterstützen. Zu den wesentlichen Managementmaßnahmen gehören u.a.:

  • Rein-Raus-Prinzip
  • effektive Reinigung und Desinfektion
  • Quarantänestall für Zukäufe
  • Krankenstall für kranke Tiere (5% der Stallplätze)
  • keine Überbelegung der Buchten (Mast: mind. 0,4 (Vormast) bis 1,0 (Endmast) qm/Tier; Ferkelaufzucht: mind. 0,3-0,4 qm/Tier)
  • kein Kontakt zu anderen Schweinebeständen
  • Zukauf aus möglichst wenigen Betrieben (mit nötigen Impfbescheinigungen)
  • stetige Stallklimakontrolle
  • konsequente Impfprogramme (betriebsspezifisch)

Was muss im Fütterungsmanagement unbedingt beachtet werden?

Es muss zunächst klar gesagt sein, dass die Fütterung eine Circovirusinfektion nicht verhindern kann. Auch können weder vorhandene Circoviren noch andere virale und/oder bakterielle Sekundärerreger beseitigt werden. Genauso wenig kann man über die Fütterung suboptimale Stallverhältnisse oder eine massive Überbelegung ausgleichen. Aber: wenn alle vorstehenden Managementfaktoren überprüft und entsprechend eingestellt sowie die unter den einzelnen Tipps dargestellten Maßnahmen in der Stallklimatisierung und Fütterung konsequent umgesetzt sind, dann kann man über weitere gezielte Maßnahmen in der Futterausstattung nach den bisherigen Praxiserfahrungen in vielen Fällen Gesundheit, Vitalität und Leistungsfähigkeit der Ferkel aber auch Vormastschweine systematisch unterstützen. Daher:

Tipp 6: Stoffwechsel und Widerstandskraft gezielt über eine spezielle Vitaminierung unterstützen!

Es hat sich in den vergangenen Monaten in einer stetig zunehmenden Zahl spezialisierter schweinehaltender Betriebe in verschiedenen deutschen Veredlungsregionen mit derzeitigem Schwerpunkt in Nord-Westdeutschland die Umstellung der Fütterung von Aufzuchtferkeln ab der dritten Woche nach Absetzen bzw. Vormastschweinen auf eine gezielt den Stoffwechsel und die Leber unterstützende Fütterungsvariante bewährt. Um es vorab klarzustellen: auch damit kann eine Circovirusinfektion nicht verhindert oder beseitigt werden - nach den bisherigen Erfahrungen können aber die Maßnahmen des bestandsbetreuenden Tierarztes gegen die Sekundärerreger, die vom Landwirt umgesetzten Maßnahmen im Management und letztendlich das Tier selbst dadurch gezielt unterstützt werden. So berichten viele Praktiker über wieder verbesserte Zuwachsleistungen der Tiere, besseres Greifen tierärztlicher Maßnahmen und ein vitaleres Erscheinungsbild der Ferkel bzw. Mastschweine.

Die Futterkonzeption

Die spezielle Futterkonzeption beruht auf zwei Säulen:

  • Zum einen wird ein spezielles Ferkelaufzuchtfutter in seiner Nährstoffzusammensetzung ganz gezielt auf die veränderten Ansprüche der Tiere ausgerichtet. Das Ferkelfutter muss auf sehr hohe Verdaulichkeit, hohen Gehalt an essentiellen Aminosäuren sowie Energielieferung (in der Gesamtmischung) aus Stärke - möglichst begrenzt aus Fett - ausgelegt. Eine Begrenzung des Fettgehaltes in einer derartigen speziellen Futterkonzeption ist richtig und sinnvoll, da so einer verschlechterten Fettverdauung im Dünndarm Rechnung getragen und der Leberstoffwechsel entlastet wird.

  • Zum anderen werden dieser speziellen Futtersorte eine den Stoffwechsel der Schweine - und hier besonders den Leberstoffwechsel - gezielt unterstützende Spezial-Vitamin-Vormischung zugelegt. Von großer Bedeutung für den Leberstoffwechsel und den Aufbau der roten Blutkörperchen sind insbesondere die Vitamine B12 und C sowie die Folsäure. Beispielsweise kann die Anämie/Blässe der Ferkel vermutlich eher mit einer verminderten Folsäurebildung in der Leber als mit dem immer wieder erwähnten Eisenmangelsyndrom erklärt werden. Folsäure ist neben Vitamin C und Vitamin B12 am Aufbau der roten Blutkörperchen und des roten Blutfarbstoffes beteiligt. Außerdem zeigen höhere Gehalte an sogenannten "Methylgruppendonatoren" wie z.B. Cholin eine gute Wirkung. Auch weitere Vitamine der B-Gruppe und die Pantothensäure müssen beachtet werden. Außerdem wird über eine derartige Spezial-Vitaminierung auch die Fettverdauung im Dünndarm gezielt unterstützt.

Abschließendes Fazit

Gesundheit und Leistung im Schweinestall sind "ein hohes Gut", deren Unterstützung und Erhaltung erfordert, sich selbst und sein Tun immer wieder kritisch zu überprüfen und nach den neuesten Erkenntnissen anzupassen.

Geben Sie dem Ferkel, was es braucht! - dieser Satz beschreibt am besten, worauf es ankommt: alle Bereiche - Stallklima, Wasserversorgung, Futter und Fütterung - gehören in eine einzelbetriebliche "Stärken-/Schwächenanalyse" einbezogen und ggfls. angepasst. Dazu hat Ihnen dieser Beitrag wichtige praxisnahe Tipps dargestellt. Und wenn dann die einzelbetriebliche Ursachenanalyse gemeinsam mit dem bestandsbetreuenden Tierarzt bei Krankheitssymptomen und Leistungsdepressionen den Verdacht auf spezielle Infektionsabläufe zulässt und wenn sich dann tatsächlich "Circoviren" als an den Symptomen beteiligt herausstellen, muss zunächst nochmals klar betont werden:

die Fütterung kann weder eine Infektion verhindern noch eine bestehende Infektion beseitigen.

Wenn aber das Management im Stall und die Klimagestaltung entsprechend den hier dargestellten Anforderungen stimmen, dann kann durch die hier näher erläuterte phasengerechte, dem Verdauungsvermögen der Ferkel und Vormastschweine angepasste Fütterung der Stoffwechsel und die Widerstandskraft der Tiere gezielt unterstützt werden. Die Kombination dieser speziellen Futterkonzeption mit einer den Stoffwechsel und die Leber gezielt unterstützenden Vitaminierung kann dabei nach bisherigen Erfahrungen zusätzlich positive Effekte zeigen.

Mai 2002