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Die Milch der Häsin
- ein "Gesundheitselixier" für Jungtiere

Dr. Heinrich Kleine Klausing


Wieder ist ein Zuchtjahr vorbei und die nächste Saison steht bereits vor der Tür. Und wieder werden sich die Züchter bundesweit fragen: wie wird es in diesem neuen Jahr laufen? Werden meine Häsinnen gut trächtig? Wie werden sich die Würfe darstellen? Werde ich die Jungtiere ohne größere Probleme und ohne größere Verluste absetzen können? Gerade die letzte Frage wird bei leider vielen Züchtern unerfreuliche Erinnerungen an das letzte Frühjahr hervorrufen. Denn der als "Enterocolitis" bezeichnete Erkrankungskomplex ist nach wie vor mit mehr oder weniger deutlicher Ausprägung in den Zuchtställen vorhanden. Die genaue Ursache - also den ursächlichen Krankheitserreger - hat man bis heute nicht gefunden. Es wird aber immer wieder berichtet, dass die Erkrankung von Zuchtstall zu Zuchtstall unterschiedlich verläuft und manche Würfe nach dem Absetzen annähernd komplett verloren gehen, andere Würfe aber wenig bis keine Probleme zeigen. Hier stellt sich schnell die Frage, welchen Einfluss dabei die Häsin hat und wie man die Häsin unterstützen kann, damit die Jungtiere einen möglichst guten Start und eine möglichst gute "Widerstandskraft" mitbekommen. Die zentrale Schlüsselfunktion hat hier die Muttermilch, an ihr führt kein Weg vorbei. Wir müssen uns gemeinsam die Frage stellen, ob wir in den vergangenen Jahren alles für die optimale Milchbildung unserer Zuchthäsinnen getan haben oder ob Faktoren unberücksichtigt bzw. vernachlässigt wurden. Hierzu soll dieser Beitrag eine Hilfestellung geben.

Die Milch - Erfolgsfaktor Nr. 1

Die Milch der Häsin erfüllt für die Jungtiere zwei zentrale Aufgaben: auf der einen Seite steht die Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen in konzentrierter Form. So produziert nach wissenschaftlichen Untersuchungen z.B. eine Neuseeländer Häsin mit gut 4 kg Gewicht und 8 Jungtieren am dritten Säugetag ca. 150 g Milch, am 12. Säugetag ca. 280 g und am 40. Tag knapp unter 90 g. Im Zeitraum vom 18. bis 23. Säugetag erreicht die Milchleistung ihr Maximum. Oft wird die Frage gestellt, wie denn eine solche Leistung im Tierreich einzuordnen ist. Dazu bietet sich der Vergleich mit der Milchkuh an. Zunächst muss man berücksichtigen, dass die Milch des Kaninchens wesentlich gehaltvoller ist als die Kuhmilch (Tabelle 1).

Betrachtet man die wesentliche Zeit bis zum 30. Säugetag und berücksichtigt die unterschiedliche Milchzusammensetzung und das Körpergewicht, dann bringt die hier unterstellte Häsin (im Mittel wurde mit 180 g Milch gerechnet) eine Tagesleistung wie eine Milchkuh (650 kg Gewicht) mit über 70 kg Tagesgemelk - und diese Leistungszahlen sind in der Milchviehhaltung bis heute noch nicht erreicht! Dieser Vergleich führt eindringlich vor Augen, wie hoch die Milchleistung unserer Kaninchen einzuordnen ist. Und es wird auch deutlich, dass wir in der Vorbereitung der Häsinnen auf die Geburt, in der Gestaltung der Umgebung und in der Fütterung besondere Sorgfalt an den Tag legen müssen.

Die Milch der Häsin ist aber auch aus einem weiteren Blickwinkel zu betrachten: in den ersten zwei bis drei Tagen stellt sie für die neugeborenen Jungtiere ein wahres "Gesundheitselixier" dar. Diese erste auch als "Kolostralmilch" oder "Biestmilch" bezeichnete Kaninchenmilch enthält eine hohe Konzentration an Abwehrstoffen, den "Immunglobulinen". Die Immunglobuline sind für die Jungtiere lebenswichtig, da sie ohne diese schützenden Antikörper geboren werden. Die Fähigkeit der neugeborenen Kaninchen, diese Abwehrstoffe aus dem Darm zu absorbieren, fällt bereits Stunden nach der Geburt langsam ab und ist spätestens am dritten Tag nach der Geburt beendet. Die Häsin säugt die Jungtiere in der Regel nur einmal, im Einzelfall und bei kleineren Würfen auch zweimal täglich, für drei bis fünf Minuten - meist in den Morgenstunden. Sollte die Häsin an den ersten beiden Tagen z.B. aufgrund einer Infektion (Gesäugeentzündung - Mastitis), durch Mängel in der Ernährung (zu wenig Eiweiß - bzw. besser gesagt: zu wenig essentielle Aminosäuren wie Methionin und Lysin - in der Tagesration) oder durch schlechte Umweltbedingungen (feucht, zugig) zu wenig oder keine Milch bilden, dann sind oftmals die ersten Jungtierverluste schon während der Säugezeit vorprogrammiert. Aber auch eine zunächst augenscheinlich nicht auffällige verminderte Kolostralmilchbildung bzw. eine verminderte Qualität (zu wenig Immunglobuline in der Milch) hat Konsequenzen für die Jungtiere. Sie sind dann nach dem Absetzen wesentlich anfälliger für Infektionen mit bakteriellen und auch viralen Erregern. Bei den bakteriellen Krankheitserregern seien hier nur die gerade bei Enterocolitis immer wieder festgestellten Clostridientypen und auch Colibakterien genannt (Kleine Klausing und Matthes, 2000; Kleine Klausing, 2001a). Weltweit stellen sich Fachleute immer häufiger die Frage, inwieweit die bei einzelnen Würfen mehr oder weniger stark ausgeprägt auftretenden Erkrankungen nach dem Absetzen (z.B. Enterocolitis) von der Qualität und Quantität der Kolostralmilch abhängen. Und viele dieser Fachleute sagen eindeutig: dieser Zusammenhang muss in der Praxis unbedingt beachtet werden! Denn allein die Tatsache, dass während der Säugezeit die Enterocolitis äußerst selten auftritt, spricht für den wichtigen "Schutzeffekt" der Kolostralmilch. Und es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich die Konzentration an Immunglobulinen in der Kolostralmilch und die aufgenommene Kolostralmilchmenge in der Konzentration dieser Abwehrstoffe im Blut der Jungtiere widerspiegeln. Es gilt also, Qualität und Quantität des Kolostrums zu optimieren und die Umweltbedingungen so zu gestalten, dass möglichst alle Jungtiere die gleiche Chance haben, frühzeitig und ausreichend Kolostralmilch aufzunehmen.

Die Vorbereitung der Geburt

Die Häsin kündigt die Geburt der Jungtiere bereits ein bis drei Tage vorher durch ihr Verhalten an. Sie wird unruhiger und beginnt mit dem Nestbau. Hormonell bedingt lockert sich das Haar an der Bauchunterseite sowie im Brustbereich und die Häsin beginnt mit dem Rupfen der Haare und deren Verwendung als Nestbaumaterial. Dabei werden auch die Zitzen freigelegt, was den Jungtieren angesichts der kurzen Dauer einer einzelnen Säugung den Zugang erleichtert. Damit die Häsin dieses Verhalten auch ausleben kann, muss sie Ruhe haben und man sollte ihr ausreichend und gutes Nestbaumaterial (Heu, gutes Stroh bzw. auch Weichholzraspel) zur Verfügung stellen. Bewährt haben sich in der Praxis Wurfkästen, da sie dem Bedürfnis der Häsin nach Ruhe und "Abgeschiedenheit" am ehesten entgegenkommen. Die Kästen sollten aus einem wärmeisolierenden Material (z.B. Holz) hergestellt sein, damit die Häsin den Kasten gut annimmt, die Jungtiere vor größeren Temperaturschwankungen geschützt sind und die Gefahr der Kondenswasserbildung bei niedrigen Außentemperaturen verringert ist. Wurfkasten und Nestbaumaterial sollten der Häsin bereits spätestens 5 Tage vor der Geburt zur Verfügung stehen. Der vorstehend genannte Faktor "Ruhe" ist für die Milchbildung nicht zu unterschätzen. Eine "Agalaktie" - übersetzt ein "Fehlen der Milchsekretion" - kann durch die bereits erwähnten infektiösen Erkrankungen des Gesäuges (Coli- oder Streptokokken-Mastitis) und auch durch hormonelle oder psychische Störungen (Stress, Lärm, Erschrecken) bedingt sein.

Hygiene beachten

Große Bedeutung kommt in der Phase der Geburt und der Laktation der Hygiene im Zuchtstall zu. Die Häsin sollte nur in einem gut gereinigten und desinfizierten Stall ihre Jungtiere zur Welt bringen. Während der Geburtsphase besteht schnell die Gefahr, dass Schadkeime in die Geburtswege eindringen und nachfolgend zu schweren Erkrankungen der Häsin, mangelnder Kolostralmilchbildung (z.B. durch eine infektiöse Mastitis) sowie auch zu Erkrankungen bei den Jungtieren führen.

Wasser ist wichtigster "Nährstoff"

Besonderes Augenmerk sollte der Züchter auch auf die Wasserversorgung der Häsin legen. Der Satz: "Wasser ist der wichtigste Nährstoff" beschreibt, worauf es ankommt: Kaninchen müssen freien Zugang zu Trinkwasser haben - unabhängig von der verabreichten Futterart (Frisch- oder Trockenfutter). Dies gilt insbesondere für die säugende Häsin, da sie aufgrund ihrer Milchleistung einen besonders hohen Wasserbedarf hat. Für sie ist die Wasserversorgung zunächst noch wichtiger als die Futterversorgung. Das Wasser muss hygienisch einwandfrei sein und sollte mindestens einmal täglich erneuert werden (wenn nicht zentral aus dem Wassernetz versorgte Selbsttränken verwendet werden). Aus hygienischer Sicht ist das Wasserangebot aus Flaschen mit Saugrohren oder Nippeltränken den offenen Tränkeschalen vorzuziehen. Alle Tränkegefäße sind in regelmäßigen Abständen zu reinigen, da sich in den Behältern z.B. Algen und auch potentielle Schadkeime festsetzen können. In der Zuchtpraxis hat sich auch während der Säugezeit die leichte Ansäuerung des Tränkewassers bewährt. Hier kommt z.B. im Haushalt üblicher Obstessig mit einer Dosierung von 50 bis 100 ml auf 10 l Wasser zum Einsatz. Es gibt aber auch entsprechende Säurepräparate im Handel, die hohe Wirksamkeit und Anwenderfreundlichkeit aufweisen. Die Säure sichert den hygienischen Zustand des Wassers und wirkt allgemein positiv auf die Verdauung.

Optimale Zuchtkondition = gute Milchleistung

Für eine gute Milchleistung der Häsin ist der Konditionszustand mit entscheidend. Gerade in den ersten drei Säugewochen und bei dem Zuchtziel entsprechenden Würfen von fünf und mehr Jungen kann die Häsin nicht die volle Milchbildung aus dem aufgenommenen Futter realisieren. Sie wird also zwangsläufig in gewissem Umfang Körperreserven zur Energiegewinnung einschmelzen müssen. Sind diese Depots nicht entsprechend angelegt, erreicht die Milchleistung nicht das erforderliche Niveau und geht recht schnell zurück. Die Folge sind mangelnde Vitalität der Jungtiere und verminderte Zuwachsleistung. Man sollte nun aber für die Kondition der Häsinnen nicht den Rückschluss "je fetter umso besser" ziehen. Denn auch überkonditionierte ("fette") Häsinnen bringen keine entsprechend gute Milchleistung. Sie sind schwerfällig, nehmen oftmals zu wenig Futter auf und säugen dadurch bedingt bei größeren Würfen besonders deutlich ab. Die verminderte Futteraufnahme "mastiger" Häsinnen steht nach neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen mit dem Hormon Leptin in Zusammenhang. Leptin wird in den Fettzellen gebildet und wirkt auf das sogenannte "Sättigungszentrum" im Gehirn. Große Fettzellen bedeuten hohe Leptinausschüttung und bewirken ein deutliches Sättigungsgefühl, was eine verminderte Futteraufnahme bedingt. Auf der anderen Seite ist Leptin aber auch an hormonellen Abläufen beim Fruchtbarkeitsgeschehen beteiligt. Ist eine Häsin deutlich unterkonditioniert ("abgesäugt, mager"), so kann das eine verschlechterte Ovulationsrate (unterdurchschnittliche Wurfgröße) bzw. ein Ausbleiben des Bedeckungserfolges zur Folge haben. Hintergrund ist dann eine zu geringe Konzentration an Leptin im Körper. Daher sollte der Züchter darauf achten, dass die Häsinnen, insbesondere die stärker abgesäugten Tiere, auch in der Phase der Zuchtruhe bedarfsgerecht und auf gute Zuchtkondition gefüttert werden.

Mit dem richtigen Futter "auf Milch füttern"

Die Milchleistung der Häsin wird natürlich auch von der täglichen Nährstoffversorgung und damit von der Zusammensetzung der täglichen Futterration wesentlich beeinflusst. So stellt Schlolaut (1995) heraus, dass die Milchleistung der Häsin bis zum 21. Tag nach dem Werfen etwa doppelt so hoch ist, wenn ein pelletiertes Alleinfutter zur freien Aufnahme ("ad libitum") angeboten wird statt rationierter Kraftfuttergabe und ausschließlich freier Verfügbarkeit von Grobfutter (Abbildung 1).

Aus diesen Ergebnissen muss für den Züchter festgehalten werden, dass die säugende Häsin für eine hohe Milchleistung nährstoffkonzentriert versorgt werden soll. Die Anforderungen an die Nährstoffgehalte eines Futters für laktierende Häsinnen sind in der Tabelle 2 dargestellt. Hier finden sich auch die Empfehlungen für weitere im Markt übliche Alleinfuttersorten. Nähere Informationen zur Bedeutung der verschiedenen Nährstoffe für das Kaninchen finden sich in DKZ 19/2001 (Kleine Klausing, 2001b).

Das Zuchtfutter für laktierende Häsinnen wird bereits ab der zweiten Hälfte der Trächtigkeit gefüttert. Hintergrund ist die dann zunehmende Gewichtsentwicklung der Föten und der ansteigende Nährstoffbedarf der Häsin. Als Orientierung kann bei einer mittelschweren Rasse von ca. 180 bis 200 g Zuchtfutter je Tag ausgegangen werden. Entscheidend für die genaue tägliche Futtermenge ist letztendlich die Zuchtkondition: "fit aber nicht fett" lautet hier die Devise. Während der Säugezeit erhält die Häsin das Laktationsfutter zur freien Verfügung. Bei mittelschweren Rassen kann je nach Wurfgröße mit einer täglichen Aufnahme von etwa 300 bis 450 g gerechnet werden. Diesen Verbrauchswerten sind bei großen Rassen gut 20 bis 30 % hinzu-, bei kleinen Rassen etwa 20 % abzurechnen. Und Eines gilt grundsätzlich: Grobfutter wie Heu guter Qualität sollte für eine stabile Verdauung und für das Wohlbefinden der Häsin in allen Phasen mit angeboten werden. Dabei ist besonders auf die hygienische Qualität zu achten, da die Jungtiere spätestens nach der dritten Lebenswoche neben dem Häsinnenfutter auch erstes Grobfutter mit aufnehmen. Da z. B. Heu am Boden gewonnen wird, besteht bei ungünstigen Erntebedingungen (mehrfach Regen während der Trocknungsphase) und Verschmutzung mit Erdreich die Gefahr, dass das Heu mit bodenbürtigen Keimen wie z.B. Sporen von Clostridien behaftet ist. Bei hoher Konzentration kann das negative Folgen für die Tiergesundheit haben.

Die Milchleistung der Häsin geht ab der vierten Säugewoche zurück und die Jungtiere nehmen vom Häsinnenfutter zunehmend Menge auf. Daher kann ab der vierten bis fünften Säugewoche auf ein ausgewogenes Basisfutter bzw. im Hinblick auf die gezielte Unterstützung der Blinddarmverdauung bei den Jungtieren auf ein diätetisch sehr hochwertiges Spezialfutter umgestellt werden. Damit wird auf der einen Seite dem sich mit abnehmender Milchleistung verringerten Nährstoffbedarf der Häsin Rechnung getragen. Auf der anderen Seite ist laut umfangreichen Praxiserfahrungen neben einer sehr guten Kolostralmilchversorgung die gezielte Unterstützung der Blinddarmverdauung der Jungtiere bereits am Ende der Säugezeit über ein entsprechend ausgerichtetes Spezialfutter ein wichtiger Faktor für ein erfolgreiches Absetzen.

Verdauung und Immunität gezielt unterstützen

Die bei den Absetzern unter dem Erkrankungskomplex "Enterocolitis" zusammengefassten Symptome wie "Aufblähungen", "Verstopfungen" bzw. "Durchfall" und "Darmdrehungen" haben häufig in der tiermedizinischen Ursachenforschung ein Untersuchungsergebnis: Clostridien verschiedener Typen und Stämme. Diese Clostridien kommen zwar überall in der Umwelt vor, doch stellt sich immer wieder die Frage, ob nicht auch die Häsin hier ein möglicher "Übertragungsweg" sein kann. Denn es ist durchaus möglich, dass sich eine ausgewachsene Häsin mit den in ihrem Darm vorhandenen Clostridien ohne Symptome auseinandersetzen kann, die gestressten Absetzer aber nicht. Daher stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Clostridien sich im Darm der Häsin besonders gut entwickeln können. Wesentlich ist hier eine deutlich verringerte Passagerate ("Neigung zu Verstopfungen") und eine nicht ausreichende Emulgierung ("Feinverteilung") des Verdauungsbreies. Zentralen Einfluss auf die Verdauungsabläufe im Darm hat, neben der Mikroflora im Blinddarm, die Leber über die von ihr produzierten Gallensäuren. Funktioniert der Leberstoffwechsel z.B. aufgrund latent vorhandenen Druckes mit Krankheitserregern nicht mehr richtig, wirkt das negativ auf die Emulgierung des Verdauungsbreies im Darm. Hier kann nach neuesten Praxiserfahrungen über natürliche Emulgatoren im Futter steuernd auf die Verdauung eingewirkt und der Leberstoffwechsel unterstützt werden. Funktioniert die Verdauung bei der Häsin gut, ist das die wichtigste Voraussetzung für eine möglichst hohe Milchbildung aus dem aufgenommenen Futter. Und stabile Verdauungsverhältnisse machen es Schadkeimen im Darm schwer, sich massenhaft zu vermehren.

Ein weiterer "Faktor" kann in der Fütterung der Häsin positiv Einfluss auf die Bakterienflora im Darm, insbesondere dem Blinddarm, die Immunität sowie die Qualität der Kolostralmilch nehmen: Prebiotika (prebiotische Oligosaccharide). Ihr positiver Einfluss auf die Zusammensetzung der Blinddarmflora ist aus verschiedenen Praxisuntersuchungen bekannt. Die Prebiotika besitzen eine spezifische Bindungskapazität für z.B. Colibakterien. Nach dem Prinzip "Schlüssel - Schloss" besetzen sie Bindungsstellen der Colikeime, so dass sich diese nicht mehr an spezielle "Andockstellen" der Darmwandzellen setzen und damit auch nicht mehr ihre Schadstoffe ("Toxine") abgeben können. Und ein weiterer Faktor zeichnet die prebiotischen Oligosaccharide aus: ihre immunstimulierende Wirkung. Es gibt erste wissenschaftliche Ergebnisse, die diesen Einfluss eindeutig belegen. Die genauen Zusammenhänge sind biochemisch noch nicht bis ins letzte Detail geklärt, aber: für die Häsin und die Jungtiere ist wichtig, dass darüber positiv Einfluss auf die Qualität der Kolostralmilch (Konzentration an Immunglobulinen - "Abwehrstoffen") genommen werden kann. Die Bedeutung einer möglichst guten "Biestmilch" ist ja eingangs bereits dargelegt worden.

Die Kombination beider "Verdauungsfaktoren" in Verbindung mit einer vitalisierenden Vitaminierung in einem ausgewogenen Spezialfutter für Häsinnen unterstützt das Muttertier also gezielt bei ihrer Aufgabe, Milch zu produzieren - ein "Gesundheitselixier" und "Leistungspaket" für Jungtiere.

Die richtige Futterwahl auch für Rammler und die Schauvorbereitung

Das hier beschriebene nährstoffkonzentrierte Futter für hochtragende und laktierende Häsinnen hat sich gerade bei mittelschweren und scheren Rassen auch in der Vorbereitung der Zuchttiere auf die Schausaison bewährt. Durch die spezielle Zusammensetzung der Pflanzenfette im Futter mit einem hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren wird bei den säugenden Häsinnen die Milchbildung unterstützt und bei den Schautieren "Glanz auf das Fell" gebracht. Auch die hohe Konzentration lebenswichtiger Aminosäuren (Bausteine des Proteins) wie Methionin wirken auf Milchleistung und Fellqualität positiv. Die tägliche Futtermenge richtet sich in der Schauvorbereitung nach dem Rassetyp, dem Konditionszustand und dem im Zuchtziel definierten Optimalgewicht. Die Tiere sollen und dürfen nicht "fett" gefüttert werden. Daher ist das Vorbereitungsfutter auf jeden Fall rationiert und nicht zur freien Aufnahme zu geben.

Auch die Zuchtrammler sollten während der Decksaison mit diesem Spezialfutter für Häsinnen versorgt werden. Die hohe Proteinqualität wirkt positiv auf die Spermaqualität und damit auf den Befruchtungserfolg. Die verabreichte Futtermenge ist abhängig von der Intensität der Zuchtbenutzung. Als Faustregel gilt in dieser Phase: "tägliche Futtermenge gleich 80 % der ad libitum-Aufnahme". Der Zuchtrammler soll vital sein Deckgeschäft erledigen, aber nicht verfetten. Daher kommt der gezielten Futtermengenzuteilung große Bedeutung zu. Natürlich hat auch der Rammler freien Zugang zu Heu oder anderem Grobfutter bester Qualität.

Die vorstehend beschriebene gezielte Unterstützung der Immunantwort und der Verdauung durch prebiotische Oligosaccharide sowie verdauungsfördernde natürliche Emulgatoren ist gerade auch für deckaktive Rammler wichtig. Denn sie sind für mindestens 50 % des Erfolges im bevorstehenden Zuchtjahr zuständig.

... zu guter Letzt

Viele Fragen rund um die Gesundheit des Zuchtbestandes und den hoffentlich eintretenden Zuchterfolg beschäftigen die Züchter landauf und landab. Die Überschrift dieses Beitrages "Die Milch der Häsin - ein Gesundheitselixier für Jungtiere" ist sicher keine neue Erkenntnis. Aber vielleicht hat der Eine oder Andere die Bedeutung der Milch und die gezielte Sorge um das Wohlbefinden der Häsin in der Vergangenheit ein wenig aus den Augen gelassen. Dieser Beitrag soll dazu anregen, dass ein jeder seine Maßnahmen - ob in der Geburtsvorbereitung, der Klimagestaltung, der Hygiene oder der Wasser- und Futterversorgung - überprüft und, wo notwendig, anpasst. Die einzelnen dargestellten Maßnahmen sind sicher in den Details noch weiter zu fassen. Wichtig ist, dass man sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigt und die Anmerkung des amerikanischen Ernährungsfachmannes Lee Johnston von der Universität Minnesota beachtet: "Merken Sie sich: Es gibt keine Wunderdinge, die die Fruchtbarkeitsleistung von Tieren steigert. Vielmehr geht es darum, die Teile eines Puzzles zusammenzusetzen und sicherzustellen, dass man die grundlegenden Dinge gut macht." Diese wichtige Anmerkung kann abschließend ergänzt werden: "Und wenn man diese grundlegenden Dinge gut macht, dann hat man die besten Voraussetzungen, dass neue, die Immunität und Verdauung gezielt unterstützende Futterkonzepte komplex ihre Wirkung entfalten können - alles für das eine gemeinsame Ziel: bestmöglichen Zuchterfolg!"

Literaturverzeichnis

DLG (1995): Fütterungshinweise Kaninchen
DLG-Merkblatt 147, Ausgabe 1995

Kleine Klausing, H., Matthes, K. (2000): Enterocolitis - Vorbeugen durch systematische Ernährung?
Deutscher Kleintier-Züchter, 18, S. 28-31

Kleine Klausing, H. (2001a): Die Enterocolitis - gibt es Neuigkeiten in Frankreich?
Deutscher Kleintier-Züchter, 10, S. 8-10

Kleine Klausing, H. (2001b): Grundlage erfolgreicher Zuchtarbeit: Ausgewogene Basisfütterung
Deutscher Kleintier-Züchter, 19, S. 28-31

Maertens, L. (1998): Nährstoffbedarf und Fütterung der Kaninchen; in: Handbuch zur Kaninchenfleischgewinnung von J. Petersen, Verlag Oertel + Spörer, Reutlingen, 1998

Schlolaut (1995): Das große Buch vom Kaninchen
DLG-Verlag, Frankfurt/Main ISBN 3-7690-0526-0

Januar 2003