Diät und Diätetik
- nur etwas zum Abnehmen?
Dr. Heinrich Kleine Klausing
Diät und Diätetik
sind zwei Begriffe, die aus unserer menschlichen Ernährung nicht mehr wegzudenken
sind. Aber auch in der Kaninchenfütterung haben diese beiden Begriffe eine
zunehmende Bedeutung. Wir verstehen in unserer eigenen Ernährung unter
"Diät" eine Nahrungszusammenstellung, mit der man zum Beispiel
Gewicht abnehmen kann. In der Kaninchenfütterung müssen diese Begriffe
aber mit einem anderen fachlichen Ansatz gesehen werden. Schauen wir uns daher
zunächst einmal an, was unter dem Begriff "Diät" definitionsseitig
zu verstehen ist.
"Diät"
kommt aus dem griechischen Sprachgebrauch und bedeutet laut Duden "der
richtigen Ernährung entsprechend". "Diätetik" wird
definiert als "die Lehre von der Ernährung". Unter einem "Diätetikum"
versteht der Duden "ein für eine gesunde Lebensweise geeignetes Nahrungsmittel".
Der Nährwert eines Futtermittels wird auch als sein "diätetischer
Wert" bezeichnet.
Der Begriff des "Diätfuttermittels" wird im Deutschen Futtermittelgesetz
unter § 2, Absatz 1 genau definiert. Hiernach sind Diätfuttermittel
"Mischfuttermittel, die dazu bestimmt sind, den besonderen Ernährungsbedarf
von Tieren zu decken, bei denen insbesondere Verdauungs-, Resorptions- oder
Stoffwechselstörungen vorliegen oder zu erwarten sind". Damit stellt
das Futtermittelgesetz eindeutig klar, daß die Begriffe "Diät"
oder auch "Diätetik" in der Ernährung von Tieren nicht etwas
mit "Abnehmen" sondern mit einer besonderen und gesunden Fütterung
zu tun haben.
Welche Bedeutung
hat die Diätetik und ein diätetisch besonders wertvolles Futter heute
für Kaninchen? Worauf kommt es an und was ist in der Verdauung der Kaninchen
besonders zu beachten?
Von besonderer Bedeutung für die Haltung und die Fütterung der Kaninchen
sind die Besonderheiten des Verdauungssystems. Die als sehr komplex zu bezeichnende
Verdauungsstrategie des Kaninchens ist in erster Linie auf einen großen
Durchsatz rohfaserreichen Futters abgestimmt. Auffallend ist der verhältnismäßig
große Magen (ca. 34 % des gesamten Verdauungssystemvolumens) und der sehr
große Blinddarm (ca. 49 % des Gesamtvolumens). Der Blinddarm hat für
die Ernährung der Kaninchen eine überragende Bedeutung, da in ihm
über komplizierte Fermentationsprozesse, an denen hauptsächlich Bakterien
beteiligt sind, erhebliche Mengen an flüchtigen Fettsäuren, hochwertigen
Proteinen und lebenswichtigen B-Vitaminen gebildet werden. Diese Nährsubstanzen
werden teils über die Blinddarmwand aufgenommen sowie über Ausscheidung
und anschließendem Verzehr des sogenannten Blinddarmkotes dem Tier zugänglich
gemacht (Blinddarmspeise oder Caecotrophie). Der Vorteil dieser Verdauungsstrategie
besteht in der Möglichkeit, Futtermittel mit relativ niedrigen Nährstoffkonzentrationen
verwerten zu können. Auf der anderen Seite ist das Kaninchen bei entsprechend
nährstoffreicher, insbesondere stärkereicher Versorgung auch anfällig
für Verdauungsstörungen. Hier sind vor allem Infektionen mit Kokzidien,
Clostridien und Colibakterien zu nennen. In den vergangenen zwei Jahren ist
die Rassekaninchenzucht von einer neuen Darmerkrankung, der sogenannten Enterocolitis,
massiv betroffen. Eine diätetisch hochwertige Fütterung der Kaninchen,
die auch als "Diätfütterung" bezeichnet werden kann, beachtet
diese zentrale Bedeutung der Blinddarmverdauung und deren Ablauf im physiologischen
Normalbereich für die Gesunderhaltung des Kaninchens. Damit bakterielle
Erreger wie Clostridien und verschiedene E. coli -Serotypen, die u.a. auch im
Zusammenhang mit der Enterocolitis diskutiert werden, möglichst schlechte
Lebensbedingungen im Blinddarm vorfinden, ist neben der ausgewogenen Nährstoffzusammensetzung
(auf unter 16 % begrenzter Stärkegehalt; 13-17 % "Rohfaserfraktion",
gezielt zusammengesetzt; hohe Verdaulichkeit des Proteins im Futter) die wichtigste
Aufgabe einer diätetisch wertvollen Fütterung, den "Blinddarm
zu füttern". Dies bedeutet, die dort vorhandenen anaeroben Bakterien
gezielt zu unterstützen, sodaß sie möglichst optimal kurzkettige
Fettsäuren produzieren und damit Schadkeimen ein möglichst ungünstiges
Lebensumfeld schaffen. Daraus ableitend kann der besondere Ernährungszweck
eines Diätfutters für Kaninchen auch folgendermaßen gefaßt
werden: "das Diätfutter soll bei Kaninchen in Stresssituationen (z.B.
nach dem Absetzen) und bei Störung der Blind- und Dickdarmfunktion (z.B.
unter Einfluss von Enterocolitis) über die spezielle Zusammensetzung und
bestimmte gesundheitsfördernde Zusatzstoffe (z.B. Oligosaccharide) für
einen Ausgleich sorgen".
Was sind Oligosaccharide
und wie wirken sie?
Oligosaccharide sind
spezielle Mehrfachzucker, die z. B. aus Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae)
stammen. Diese Zucker werden vom Kaninchen nicht im Dünndarm verdaut, sondern
stehen ganz gezielt den positiven verdauungs- und gesundheitsfördernden
Blind- und Dickdarmbakterien als Nahrungsquelle zur Verfügung. Diese Darmbakterien
produzieren damit noch effektiver kurzkettige Fettsäuren, die den pH-Wert
(Säuregrad) im Blinddarm im Optimalbereich halten. Der massiven Vermehrung
von Schadbakterien wird darüber noch besser als bisher vorgebeugt. Daneben
binden die prebiotischen Oligosaccharide auch Schadbakterien im Blinddarm, verhindern
so deren Anheftung an die Darmwand und deren nachfolgende Schadwirkung für
die Darmgesundheit.
Die hier dargestellten
Grundsätze der diätetisch wertvollen Kaninchenfütterung sind
in dem Spezial-Kaninchenfutter deukanin diät pellets im "Prodigest-Konzept"
verwirklicht. deukanin diät pellets sind bereits ein halbes Jahr nach Markteinführung
bei erfolgreichen Rassezüchtern zu einem festen Bestandteil der gesundheitsfördernden
Fütterungsstrategie geworden.
Auch Praxisversuche
in landwirtschaftlichen Betrieben mit Kaninchenfleischerzeugung zeigen, daß
eine so ausgerichtete, diätetisch hochwertige Fütterung der Kaninchen
eine deutlich verbesserte Gesunderhaltung und gleichzeitig sehr gute Zuwachsleistungen
ermöglicht. Ein aktuelles Praxisergebnis ist in Abbildung 1 dargestellt.
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Der Betrieb hält
750 Häsinnen und mästet die komplette Nachzucht. Die Jungtiere werden
nach 28 Tagen Säugezeit mit einem mittleren Gewicht von ca. 750 g abgesetzt.
In dem Versuch wurde ein entsprechend konzipiertes Diätfutter für
Kaninchen im Vergleich zu einer herkömmlichen Standardfütterung eingesetzt.
Die Kontrollgruppe umfasste 665 eingestallte Tiere, die Versuchsgruppe 680 Tiere.
Die Verluste in den ersten drei Wochen nach Absetzen konnten bei der Diätfütterungsstrategie
auf ein sehr niedriges Niveau gesenkt werden. Die Zuwachsleistungen der Kaninchen
wurden als gut beurteilt und waren zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich.
Das bisher verwendete Standardfutter musste in den ersten Wochen nach dem Absetzen
grundsätzlich restriktiv gefüttert werden, da ansonsten im Zeitraum
8 bis 14 Tage nach Absetzen deutliches Durchfallgeschehen auftrat. Demgegenüber
konnte das Diätfutter zur freien Aufnahme angeboten werden.
Und welche Erfahrungen
haben Rassekaninchenzüchter mit dieser Fütterungsstrategie gemacht?
Lassen wir dazu Züchter zu Wort kommen.
Die Familie Rolfes
aus Kroge-Ehrendorf (Kaninchenzuchtverein I 144) züchtet seit Jahren mit
Erfolg u.a. Weißgrannen, schwarz; Deutsche Kleinwidder, schwarz; Widderzwerge,
blau, blauweiß und Thüringer sowie Farbenzwerge und Fuchszwerge in
160 Ställen. Züchter Peter Rolfes hat mit einer diätetisch hochwertigen
Fütterung besonders in der Absetzphase der Jungtiere beste Erfahrungen
gemacht. "Bei der von mir praktizierten Diätfütterung ist die
Verdauung der Kaninchen, besonders der Jungtiere, deutlich verbessert. Die allseits
bekannten Absetzdurchfälle gehören praktisch der Vergangenheit an,
die Tiere haben ein glänzendes, glattes Fell und sind in guter Körperkondition.
Dabei habe ich festgestellt, dass insbesondere bei kleinen Rassen eine bereits
in der Absetzphase oft zu beobachtende Verfettung nicht vorhanden ist, der Fleischansatz
aber stimmt. Das hat für die erfolgreiche spätere Zuchtnutzung deutliche
Vorteile. Meine Farbenzwerge sowie die Widderzwerge füttere ich komplett
mit dieser Fütterungsvariante, die übrigen Rassen stelle ich frühestens
vier Wochen nach dem Absetzen im Verlaufe einiger Wochen schrittweise auf ein
hochwertiges Basisfutter für Rassekaninchen um. Eine Diätfütterung
der Kaninchen ist nach meinen Erfahrungen eindeutig gesundheitsfördernd
und nicht etwas zum Abnehmen."
Auch Theodor Ulpts
aus Aurich, bekannter Züchter der Rasse Deutsche Widder, grau, hat die
Fütterung seit geraumer Zeit nach den dargestellten diätetischen Grundsätzen
ausgerichtet. "Ich hatte in meinem Bestand in der ersten Hälfte 2000
die bekannten Probleme mit der Enterocolitis. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich
sehr energiereich gefüttert, weil ich die Ausstellungstiere möglichst
schnell in Ausstellungskondition bringen wollte", so Theodor Ulpts. Die
Umstellung der Fütterung nach diätetischen Grundsätzen, weg von
einer sehr stärke- und energiereichen Versorgung der Tiere, hin zu einem
Futter mit spezieller Diätausrichtung für die Blinddarmverdauung,
wurde zunächst nicht ganz ohne Vorbehalt durchgeführt. Theodor Ulpts
weiter: "Deutsche Widder müssen als große Rasse pünktlich
zur Ausstellungssaison das entsprechende Standardgewicht bringen. Mit der von
mir vorher praktizierten sehr energiereichen Fütterung hatte ich einen
sehr schnellen Gewichtsanstieg bei den Aufzuchttieren. Durch die diätetische
Fütterung verläuft die Kurve der Gewichtsentwicklung zwar etwas flacher,
die gewünschten Standardgewichte werden aber auch bei meiner großen
Rasse sicher erreicht. Bei den im späteren Frühjahr geborenen Tieren
steuere ich das Gewicht in den letzten sechs Wochen vor den Ausstellungen durch
eine etwas energiekonzentriertere Fütterung gezielt nach." Unter dem
Eindruck der Enterocolitis-Problematik setzt Ulpts für diese Zuchtsaison
auf die Neuausrichtung seiner Fütterung. "Durch die Umstellung auf
die diätetische Fütterung konnten bei bereits erkrankten Tieren die
Probleme zwar nicht beseitigt aber doch gemildert werden. Aufgrund meiner bisherigen
Erfahrungen setze ich meine Hoffnung in die gezielte frühzeitige Vorbeuge
bei den Absetzern. Die endgültige Antwort wird dieses Frühjahr geben."
Diese Praxiserfahrungen
zeigen, daß mit einer systematischen Kaninchenernährung, die auf
diätetischen Grundsätzen aufbaut und die Besonderheiten des Verdauungssystems
der Kaninchen umfassend berücksichtigt, gute Erfolge hinsichtlich der Gesunderhaltung
bei guten Zuwachsleistungen und optimaler Zuchtkonditionierung der Tiere erzielt
werden können. Es sind aber heute sicherlich noch nicht alle Fragen einer
optimalen Diätetik in der Kaninchenfütterung geklärt. Hierzu
bedarf es ständig weiterer praxisnaher Forschungsanstrengungen. Die Entwicklungsabteilung
der deuka widmet sich dieser speziellen Fragestellung mit besonderem Vorrang.
Was bleibt abschließend
festzuhalten?
In der Kaninchenernährung bedeuten "Diät" und "Diätetik"
"optimal zu verdauen, die Blinddarmverdauung sehr gut unterstützend".
Daher zeichnen sich diätetische Kaninchenfutter nicht in erster Linie durch
einen niedrigen Energiegehalt sondern durch ihre besondere, auf die Gesunderhaltung
des Kaninchens und die optimale Unterstützung der Verdauungsvorgänge
ausgerichtete Zusammensetzung aus.
2001
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