Enterocolitis -
gibt es Neuigkeiten in Frankreich?
Dr. Heinrich Kleine Klausing
Die Enterocolitis
der Kaninchen wurde zum ersten Mal 1996/97 in der französischen Kaninchenzucht
festgestellt und breitete sich innerhalb eines guten Jahres zunächst über
Frankreich und dann Europa aus. Die Erkrankung hat bis heute nicht an Brisanz
verloren. Gerade die Tierverluste im Absetzbereich können nach wie vor
in einzelnen Beständen bis 50 % erreichen.
Erste wissenschaftliche
Veröffentlichungen zu dieser Erkrankung erfolgten im Oktober 1997 durch
Mitarbeiter des INRA (Institut National de la Recherche Agronomique, Paris),
in denen die Symptome und die Verbreitung der Erkrankung in den französischen
Beständen beschrieben wurden. In den folgenden Jahren wurde gerade in Frankreich
intensiv im Bereich der Enterocolitis geforscht. An dieser Forschung sind neben
dem INRA u.a. die AFSSA (Agence Francaise de securite sanitaire des Aliments)
und die Fenalap (Federation Nationale des unions regionales de groupements de
producteurs de Lapins) sowie Unternehmen der französischen Mischfutterindustrie
beteiligt. Eine Koordination der internationalen Forschungsanstrengungen erfolgt
durch die WRSA (World Rabbit Science Association). So wurde im Rahmen des 7.
World Rabbit Congress im spanischen Valencia (3. bis 7. Juli 2000) den Ergebnissen
der Enterocolitis-Forschung ein Schwerpunkt gewidmet. Auf europäischer
Ebene sind im Rahmen des Programmes "COST 848" außerdem mehrere
internationale Arbeitsgruppen gebildet worden, die sich mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten
um eine weitergehende Aufklärung der Ursachen der Enterocolitis bemühen.
Im Rahmen dieses
Beitrages soll ein aktueller Überblick über die Situation und den
Wissensstand in Frankreich gegeben werden.
Wie ist die aktuelle
Situation in Frankreich?
Im Herbst 1999 wurde
in den französischen Beständen noch ein deutlicher Anstieg der Enterocolitisprobleme
festgestellt. Demgegenüber wird für das Jahr 2000 in der Literatur
von einer vergleichsweisen "Ruhe" berichtet. Die Fenalap (Vereinigung
der Kaninchenfleischerzeuger in Frankreich) hat im Herbst 2000 eine Erhebung
unter den Mitgliedsbetrieben hinsichtlich der Enterocolitis durchgeführt.
Dabei konnten 1519 französische Zucht- bzw. Mastbetriebe befragt werden
(86 % aller produzierenden Betriebe). 92,6 % dieser Betriebe teilten mit, seit
dem ersten Auftreten im Jahr 1996 mit der Enterocolitis konfrontiert worden
zu sein. Die ersten Probleme hatten die Betriebe mit dieser Erkrankung zwischen
Mai 1996 und Oktober 1998, wobei der Schwerpunkt im Zeitraum Mai bis November
1997 lag. Nach einer Erhebung durch französische Fachtierärzte ist
seit dem Spätherbst 2000 wieder eine deutliche Zunahme der Enterocolitisprobleme
in den Betrieben zu verzeichnen. Dabei haben insbesondere die massiven Veränderungen
im Verdauungstrakt (u.a. "Austrocknung" des Verdauungsbreies im Darm)
deutlich zugenommen. Diese Symptome sind durch eine Behandlung mit bisher bei
Enterocolitis zumindest teilweise erfolgreich verwendeten Antibiotika wie z.B.
Tiamulin nicht zu bekämpfen. Man arbeitet jedoch seitens der Fachtierärzte
intensiv an der Prüfung weiterer verfügbarer Antibiotika. Es muss
aber betont werden, dass auch bisher eine Bekämpfung der Enterocolitissymptome
über Antibiotika wie z.B. Tiamulin nur begrenzt und auch dann nur in Verbindung
mit entsprechend strikten Hygienemaßnahmen wirksam war. In vielen Fällen
traten aber innerhalb einer Woche nach Absetzen des Medikaments die Erkrankungssymptome
erneut auf - und das selbst nach fünf- bis sechswöchiger Behandlungsdauer.
Was macht die Forschung?
Die Wissenschaftler
des INRA haben im vergangenen Jahr schwerpunktmäßig zwei Fragestellungen
bearbeitet:
- Weitergehende
Klärung der mit Enterocolitis auftretenden Krankheitssymptome
- Suche nach den
Krankheitserregern
Diese Forschungsarbeiten
haben u.a. ergeben, dass die Enterocolitis bei klinisch gesunden Kaninchen über
die Verabreichung des Darminhalts erkrankter Tiere (z.B. auf das Futter aufgebracht)
ausgelöst werden kann. Demgegenüber konnte über Blut und Speichel
erkrankter Tiere die Enterocolitis bei gesunden Tieren nicht ausgelöst
werden. Mit dem Lungengewebe kranker Tiere war es in zwei Versuchen möglich,
gesunde Tiere zu infizieren. Dies ist bemerkenswert, weil dadurch die Hypothese,
die Erkrankung könne auch durch ein Virus verursacht sein, wiederbelebt
wird. Im Rahmen des europäischen Programms "COST 848" beschäftigen
sich jetzt mehrere Arbeitsgruppen mit der Suche nach dem möglicherweise
verantwortlichen Virus. Außerdem gehen diese Arbeitsgruppen auch der Frage
nach, inwieweit Bakteriophagen an der Enterocolitis beteiligt sein können.
Von verschiedenen Forschergruppen in Belgien, Italien und Frankreich wurden
im Darminhalt von an Enterocolitis erkrankten Tieren vermehrt Bakteriophagen
gefunden. Bakteriophagen sind längliche, ca. 10-50 Mikrometer große
Viren, die Bakterien befallen und sich in Ihnen vermehren. Die Überlegung,
dass sie möglicherweise an der Enterocolitis beteiligt sind, stellt nach
Ansicht einzelner Wissenschaftler eventuell eine Verbindung zwischen der Virustheorie
und der Beobachtung, das in verschiedenen Fällen die Erkrankungssymptome
durch eine Antibiotikabehandlung reduziert werden konnten, her. Für das
Frühjahr 2001 sind hierzu in Frankreich am AFSSA weitergehende Untersuchungen
geplant.
Die Ausprägung
der Enterocolitissymptome, die Tierverluste im Bestand und die Wachstumsdepressionen
können durch eine parallele Infektion mit Coccidien deutlich verstärkt
werden. Dies zeigt eine entsprechende Untersuchung am INRA. Wird konsequent
gegen die identifizierten Coccidien mit entsprechend wirksamen Mitteln vorgegangen,
so lassen sich die Verluste begrenzen, die Gewichtsentwicklung ist verbessert.
Es wird hieraus die eindeutige Empfehlung abgeleitet, den Coccidien nach wie
vor große Aufmerksamkeit zu widmen und die Tiere regelmäßig
vom Tierarzt mit entsprechend wirksamen Mitteln vorbeugend behandeln zu lassen.
Die Verabreichung der vom Tierarzt empfohlenen Coccidiostatika erfolgt am besten
über das Tränkwasser.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt
in 2001 sind sogenannte epidemiologische Erhebungen zur Enterocolitis. Dabei
werden in ca. 100 Betrieben die Tiere von der Geburt bis zur Schlachtung verfolgt.
Daten zur Entwicklung der Tiere, zu Verlusten, zu den Verlustursachen und zum
Betrieb selbst (Stallgestaltung u.a.) werden dabei genau erfaßt. Es wird
natürlich auch umfangreiches Probenmaterial gesammelt und entsprechend
in den Fachlaboratorien eingehend untersucht. Die in die Untersuchungen einbezogenen
Betriebe werden a priori in zwei Gruppen aufgeteilt: a) die Betriebe, die regelmäßig
Enterocolitiseinbrüche in den Aufzucht- und Mastdurchgängen haben
und b) die Betriebe, die seit wenigstens fünf Durchgängen keine durch
Enterocolitis bedingten Probleme mehr verzeichnen. Diese Untersuchungen werden
vom AFSSA in Verbindung mit den Produzentenvereinigungen durchgeführt.
Anfang Februar waren bereits 65 Betriebe ausgewählt worden. Sie befinden
sich in der Bretagne und an der Loire. Ziel ist aber auch eine Einbeziehung
von Betrieben in anderen Landesteilen. Man verspricht sich von diesen Untersuchungen
weitergehende Erkenntnisse, wie und warum sich die Enterocolitis in einem Bestand
und in einer Region verbreitet und warum sie in einzelnen Beständen plötzlich
klinisch nicht mehr auftritt. Die endgültigen Ergebnisse dieser Studien
hofft man Mitte 2002 vorlegen zu können.
... und was ist
mit der Fütterung?
Die Frage nach dem
Einfluss der Fütterung auf das Auftreten von Enterocolitis wurde in Frankreich
bereits Anfang 1998 intensiv untersucht. Es gab hier zunächst die Vermutung,
dass Herkunft und Anteil einzelner Futterkomponenten, Mykotoxine oder Pestizide
die Erkrankung auslösen könnten. Diese Hypothesen bestätigten
sich aber nicht. Man ist heute überzeugt, dass die Fütterung die Erkrankung
nicht auslösen kann. Gleichzeitig ist man aufgrund der Untersuchungen aber
auch sicher, dass die Fütterung und speziell die Futterkonzeption die Intensität
der Erkrankung beeinflussen kann. So sind im vergangenen Jahr u.a. umfangreiche
Untersuchungen zur Frage des Proteingehaltes und des Gehaltes an verdaulicher
Faser (Hemicellulosen/Pektine) im Futter in Zusammenarbeit zwischen dem INRA,
französischen Mischfutterherstellern und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen
durchgeführt worden. Eine erste Analyse der bisher noch nicht publizierten
Daten zeigt, dass durch eine Begrenzung des Proteingehaltes im Futter bei gleichzeitiger
Anhebung des Gehaltes an verdaulicher Rohfaser die Sterblichkeitsrate nach dem
Absetzen reduziert werden kann. Die Versuche wurden an sechs Standorten durchgeführt.
Zwei dieser Versuchsbetriebe hatten eindeutige Enterocolitisprobleme mit Verlusten
von 18,5 % im längeren Mittel. Die übrigen Bestände hatten demgegenüber
durchschnittliche Verluste von 5,7 %. Futter mit begrenztem Proteingehalt und
erhöhtem Gehalt an verdaulicher Rohfaser zeigte in den Versuchen eine Reduzierung
der Sterblichkeitsrate von im Mittel 23 auf 13,1 % in den von Enterocolitis
betroffenen Versuchsbeständen und von durchschnittlich 6,4 auf 3,3 % in
den klinisch gesunden Beständen. Vergleichbare praktische Erfahrungen mit
einer angepassten Zusammensetzung der Rohfaserfraktion im Kaninchenfutter (Prodigest-Konzept
der deuka) liegen auch in Deutschland vor (siehe DKZ 18/2000 und 02/2001). Diese
Ergebnisse lassen insgesamt die Schlussfolgerung zu, dass allein auf Basis des
Rohfasergehaltes die Gestaltung eines leistungsfähigen und die Darmgesundheit
positiv unterstützenden Kaninchenfutters nicht optimal erfolgen kann. In
Frankreich werden daher seit geraumer Zeit die Empfehlungen zur Versorgung der
Kaninchen mit Rohfaser weiter aufgegliedert in die Fraktionen Lignocellulose,
Lignin, Cellulose, Hemicellulose und verdauliche Faser.
Was bleibt festzuhalten?
Es sind im Laufe
des vergangenen Jahres in Frankreich zahlreiche Untersuchungen zur Enterocolitis
durchgeführt worden und man arbeitet auch in diesem Jahr intensiv an der
weitergehenden Erforschung. Die sicherlich wichtigste Aufgabe, den oder die
ursächlichen Erreger zu finden, war bisher aber noch nicht erfolgreich
abzuschließen. In der bedeutenden Frage, wie den klinischen Symptomen
der Erkrankung über die Fütterung besser als bisher vorgebeugt werden
kann, ist man anscheinend auch in Frankreich einen Schritt weiter gekommen.
Hier ist sicherlich bei weitem noch nicht alles bekannt und auf weitergehende
Erkenntnisse ist mit Spannung zu hoffen. Aber auch bei uns zeigen die vielfältigen
positiven Erfahrungen erfolgreicher Züchter und unabhängige Untersuchungen,
dass es in der Futterzusammenstellung für Kaninchen seit dem vergangenen
Jahr eine erfolgreiche Neuentwicklung gibt, die eine gesunde Ernährung
mit hoher Leistungsfähigkeit kombiniert. Hier bedarf es in der Zukunft
weiterer praxisnaher Forschungsanstrengungen. Dieser Aufgabe widmet sich die
Entwicklungsabteilung der deuka mit besonderem Vorrang.
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